You Wanna Hear ist eine neue Reihe auf rapblokk.com, in der Underground-Artists vorgestellt werden sollen. Was diese machen, ist dabei völlig egal, und auch, ob sie aus Übersee oder europäischen Gefilden kommen. Wichtig ist, dass sie etwas Besonderes kreieren. Sei das harter Trap, gefühlsduseliger Cloud-Trap oder in den Indie-Sektor gehendes Polygenre-Gemisch… Sind sie gut, und solltest du sie dir anhören, dann werden sie hier präsentiert und empfohlen. Let’s go!
Gibt man den ominösen, saulustigen und doch irgendwie erstaunlich charakterisierenden Namen Benno Gut in die Leiste der meistgenutzten Internet-Suchmaschine ein, findet man zuerst sein Soundcloud. Das, wo alles anfing, für ihn sowie für viele andere Künstler seiner Generation. Dann die Einblendung seines Youtube-Videos zum Song „OK“. Danach gibt es Links auf ein paar Songtexte bei Genius und auf ein paar seiner sozialen Medienprofile. Auf diesen Profilen betreibt Benno einen stetigen Grind, der durch seine Konsistenz und Schrulligkeit besticht. Auch sein privates Instagram-Profil kann zuweilen sehr unterhaltsam sein. Über seine reale Person ist wenig herauszufinden, um nicht zu sagen fast gar nichts. Genau so wie diese rein artistische Netz-Präsenz passt es nicht schlecht zu Bennos musikalischer und künstlerischer Aura als Internet-Sadboy-Zeremonienmeister mit Absurditäts-Faktor, dass man durch Google auch auf das Wikipedia-Profil eines Namensbruders stößt, der zwischen 1897 und 1970 lebte und Kurienkardinal der katholischen Kirche war. Vielleicht handelt es sich bei den beiden trotz aller Abtrünnigkeit dieses Gedankens um die gleiche Person – ich bin mir nicht sicher, ob man je Genaueres darüber erfahren wird.
Benno hat seine ersten Tracks vor nicht mal zwei Jahren auf Soundcloud veröffentlicht, doch zu diesem Zeitpunkt habe ich ihn noch nicht kennengelernt, das muss vorweg ich gestehen. Auf den Trichter kam ich erst durch das Album „Heim“, welches just in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Einer der Tracks dieses Albums befand sich bei Spotify in einer meiner vom Programm zusammengestellten Playlists, die mir Sachen zeigen sollen, die mir aufgrund meiner Präferenzen beim Nutzen des Dienstes gefallen könnten. Und Benno Gut gefiel mir, ja, er gefiel mir von Anfang an seinem Nachnamen entsprechend sehr: Gut. Seine schrullige Herangehensweise an den Cry-Cloud hatte etwas ganz Eigenes, er hatte Charakter – und er war so unglaublich relatable, dass es schon fast weh tat, wie sehr ich mich mit diesem aus den höchsten und grauesten Wolken hinab säuselnden Engelsburschen verbunden fühlte.
Benno Gut: „Linien Weiß“ EP (Soundcloud Stream)
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Hört man sich Bennos nicht auf Spotify verfügbare EP „Linien Weiß“ an, welche 2016 erschien, stößt man mit dem Titelstück auf ein sehr dunkles Stück Emo-Trap, mit metaphorisch-düsteren Lines, die Drogenmissbrauch und Psychose adressieren. Doch schon auf der ersten EP seiner hoffentlich noch lange währenden Karriere zeigt Benno Variation, denn die Beats der fünf Tracks unterscheiden sich viel mehr, als man es zuerst denken mag. Seine Stimme zeigt sich auf seinem im folgenden Jahr erschienen Album deutlich variabler als auf dieser EP, aber man kann nicht leugnen, dass auf einem langsameren, jazzigeren Cloudtrap-Beat wie bei „Nur du“ sich höheres Talent zeigt als beim rauen Edgelord-Geröchel großer Teile der ersten beiden Nummern. „Alles da“ ist eine gute Abwechslung, denn es ist ein relativ fröhlicher Drogensong, und der mit YRRRE zusammen entstandene Track „Alles Gut“ haut ebenfalls einen sehr eigenen und besonders vibigen Beat.
Der Track, der mir damals von Spotify vom Release „Heim“ angeboten wurde, war „Dumm“, und ich halte ihn bis heute für einen von Bennos besten Songs, wenn nicht sogar für seinen Besten. Er kann perfekt als erste Anlaufstelle für seine Musik genutzt werden, und ich empfehle jedem Benno-Gut-Neuling, diesen Track als Erstes von ihm zu hören. Wenn man sich danach so erschlagen von diesem Style fühlen sollte so wie ich, kann man sich ohne Umschweife dem ganzen Werk „Heim“ widmen.
Dieses stellt, ohne die „Linien Weiß“ EP dissen zu wollen Die Instrumentals sind deutlich mehr aus einem Guss und harmonieren perfekt, der Flow des Albums funktioniert in seinem Aufbau wesentlich besser und alles geht geschmeidiger vonstatten, und auch den Film, den Benno vermitteln will mit seiner Musik, seinen existenzialistischen, expressionistisch und surreal-metaphorisch beeinflussten Textzeilen und seinem durch diese Zeilen vermittelten MC-Charakter, kann man viel besser begreifen und in sich aufnehmen.
Benno Gut: „Heim“ Album/Tape (Soundcloud Stream)
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„Dumm“ ist eine absolute Sadboy-Hymne, „Schlot“ ein großartig trauriger Kiffer-Track, „Egal“ ein hübscher kleiner Fronter. Mit „Hier“ wird – thematisch ganz altmodisch – um fehlende Präsenz einer bestimmten Person getrauert, „Kool“ befasst sich mit der vorgespielten Coolness-Aura vom Großteil unserer Jugendgeneration.
Im Überkracher „Regen“ beweist sich Benno als Meister seines depressiven Fachs, und „Was ich mach“ behandelt die Ungewissheit über die späteren Pläne für den Lebenslauf so lässig und nonchalant, wie „Schnee“ wieder Drogen-Allegorien heraufbeschwört und dem Kokain huldigt, wie Benno es auf seiner Debüt-EP noch häufiger tat.
Der Beat von „Schnee“ kommt schon reduzierter rüber, doch den musikalischen Vogel auf dem „Heim“ Album schießt Benno erst mit dem nachfolgenden „100 Pillen“ ab. Mit der dunklen Gitarre und den eingestampften Drums ergibt sich hier ein pures Meisterwerk. Das ist nicht mehr nur Cloud-Trap, das ist vollwertige Kunst. Die das Album abschließende neuerliche YRRRE-Kollabo „Dinge die mir fehlen“ führt zu einem stimmigen Ende, bei dem noch mal alles etwas weniger düster wird, der Beat wieder etwas weniger heulend am Boden klebt und – zumindest hipster-ironisch – gehofft werden darf auf bessere Zeiten und auf eine bessere Welt, irgendwann und irgendwie.
Benno Good: „Many Friends“ (Video)
Nachdem „Heim“ gedroppt ist, hat Benno nicht stillgehalten und sich auf seinem ersten Release erstmal ein Jährchen ausgeruht, sondern grindet unermüdlich weiter. Als Benno Good erschienen mittlerweile zwei Tracks von ihm, in welchen er versucht, sich durch das Nutzen der englischen Sprache einem internationaleren Publikum zu präsentieren. Oder… Ja, oder es ist alles wieder nur ein abstruser Witz seiner Haken schlagenden Art von medialer Selbst-Promotion. So oder so, besonders der Song „Many Friends“ ist von diesem vermeintlich ernstgemeinten Sideproject sehr zu empfehlen.
Auch im Sektor des wichtigeren und deutschen musikalischen Standbeins ist es nicht stumm geblieben. Vor nur kurzer Zeit droppte Benno Gut die neue Single „Laut“, welche sich sehr gut ins Soundbild von „Heim“ einfügt, und hoffentlich bereits einen kleinen Hinweis auf ein zweites Longplayer-Release darstellt, welches über Kurz oder Lang die Fans erreichen wird.
Benno Gut: „Laut“ (Video)
You Wanna Hear Benno Gut, weil kaum jemand Vergleichbares gerade existiert, ob deutschsprachig oder nicht. You Wanna Hear Benno Gut, weil sein Stil gebraucht wird von all den Sadboys und Meme-Addicts da draußen, und: You Wanna Hear Benno Gut, weil er neben unnachahmlicher Attitüde so viel musikalisches Talent mitbringt, dass es sich lohnt, eventuell mit leicht verheulten Augen und schwermütigem Blick zurückgelassen zu werden.