Er ist Rapper, Produzent und Regisseur – Alleskönner DISSY veröffentlicht im März sein neues Album „Anger Baby“ über Corn Dawg Records. Das Konzeptalbum ist ein Roadtrip durch verschiedene Stationen seines Lebens und ein Prozess der Selbstreflexion. „Anger Baby“ überzeugt durch minimalistischen, leicht verträumten Hip Hop-Sound, durch düstere Parts, aber auch durch einen hoffnungsvollen Ausblick. Wir sprachen mit DISSY im Interview über die Entstehung des Albums, die enge Zusammenarbeit mit Produzent Kidney Paradise und über Berlin als Wahlheimat.
Du bist mitten in der Promophase zum Album, bald ist Releasetag, wie geht es dir gerade damit?
Jetzt wieder ganz gut. Aber es ist manchmal auch anstrengend, die erste Single kam ja schon im September. Man ist dann so lange nur mit einem Projekt beschäftigt.
Aber ziehst du denn auch etwas Positives daraus? Letztlich ist es ja auch die Zeit, in der die Singles und Videos endlich rauskommen, du auch Feedback und Reaktionen bekommst.
Klar, auf jeden Fall das ist total schön. Und am meisten freut mich, wenn die Leute die Sachen verstehen und damit relaten können. Aktuell habe ich das Gefühl, dass sich die Puzzleteile langsam zusammenfügen, und die Leute jetzt auch begreifen, was das alles eigentlich soll. Also, dass es eine Chronologie gibt und eine Story erzählt wird. Und am meisten freue ich mich eigentlich über die Nachrichten, die ich dazu bekomme. Zahlen sind da eher egal.
Wann ist das Album denn entstanden?
Zur Zeit des Ausbruchs der Pandemie habe ich die ersten Songs geschrieben und wir haben bis jetzt daran gearbeitet. Also es ist für mich echt ein Corona-Album.
Hast du allein mit der Arbeit am Album angefangen? Oder direkt in Zusammenarbeit mit Kidney Paradise?
Diesmal habe ich allein angefangen und Skizzen gebaut. Ich war allein reisen und habe überall geschrieben. Ich musste mich mal allen sozialen Schwingungen entziehen, um überhaupt so ein reflektiertes Album zu machen, in dem es komplett um meine Wahrnehmung und um mich geht. Etwas später habe ich mich dann aber mit Kidney Paradise zusammengesetzt. Er hat angefangen meine Skizzen nochmal auszuarbeiten, aber auch neue Beats gebaut und Sounds ausgetauscht – immer alles in sehr enger Zusammenarbeit. Aber er hat auf jeden Fall auch sein ganzes Know-How reingesteckt und das Album am Ende mit viel Arbeit richtig ausproduziert. Wir waren beide bis zum Ende sehr motiviert und hatten eine Vision zusammen, das hat immer total gut harmoniert und gepasst. Sind uns da auch nicht ins Gehege gekommen.
Das Album ist ja an die klassische Heldenreise angelehnt. Wie kam es zu der Idee?
Das hat sich eigentlich einfach so ergeben. Die Grundidee dabei ist dieses Gefühl, wenn man Anfang Zwanzig ist, und denkt man wäre so eine Art Hero, der vielleicht für Größeres bestimmt ist. Und in der Realität merkt man aber irgendwann, dass das Quatsch ist. Ich nehme diese ganze Heldenreise damit auch ein bisschen aufs Korn. Meine Mutter ist ja Opernsängerin, von daher hatte ich auch schon früh Kontakt mit Wagner Opern, denen ja auch oft die klassische Heldenreise zu Grunde liegt und ich war auch Star Wars-Fan. Außerdem habe ich von Therapie-Programmen gehört, die Heldenreise heißen. Das hat dann irgendwie alles gepasst.
„Anger Baby“ kann man ja musikalisch als etwas harmonischer beschreiben. Inhaltlich und vom Sound auch irgendwie versöhnlicher, aber es bleibt sehr komplex und auch von Struggles geprägt.
Das stimmt. Es hat trotzdem diese Dramaturgie und geht irgendwann ganz schön in den Abgrund. Das Positive für mich ist eigentlich eher der Schluss. Also, dass es am Ende ja viel um Selbstfindung geht und um den Blick in die Zukunft. Das ist eigentlich das Hoffnungsvolle.
Du sagst, dass du zwischendurch genervt warst von deiner eigenen Schwermut und du Lust auf eine Stimmungsänderung hattest in deiner Musik.
Ja, das war das Album auch für mich. Da geht es nicht rein um die Inhalte, sondern auch darum, wie ich mich gebe. Also, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, ich muss eine düstere Welt bedienen, weil ich diese Musik mache. Das war für mich der Teufelskreis, der mir nicht guttat. Ich wollte mich mehr als Typ beschreiben, der eben nicht immer nur düster und depressiv rüberkommt. Aber es ist auch total Jahreszeiten abhängig, muss ich sagen, wie es bei vielen so ist. Im Sommer habe ich Lust auf mehr Leichtigkeit. Und jetzt im Winter will ich schon wieder eher düstere Musik machen.
Ist deine Musik denn anders, je nachdem, wie es dir geht oder wie deine Stimmung ist?
Also wenn es mir schlecht geht, kann ich schwerer schlaue Songs schreiben. Dann kann ich nicht so herumgrübeln und zweifele viel zu sehr an allem, kann aber dafür eher meine Gefühle runterschreiben. Das werden manchmal die ehrlichsten Tracks. Aber ja, am liebsten schreibe ich Songs, wenn ich total mit mir im Reinen und happy bin. Dann kann ich alles besser überblicken.
Mal konkret zum Sound vom neuen Album: Sollte alles ein bisschen eingängiger und organischer sein?
Ja, ich wollte nicht ganz so ausrasten. Alles ein bisschen minimalistischer halten. Als Ansatz habe ich angefangen mit diesen gezupften Bass-Melodien, bei Muss Los und Tunichtgut. Das waren die ersten Songs. Da war dann auch klar in welche Richtung ich will vom Sound. In so eine verträumte, märchenhafte, was ja auch zum Konzept passt. Aber eben auch stärker in eine Hip Hop-Richtung.
Der Titel des Albums „Anger Baby“ hat ja Bezug zum Erfurter Zentrum, dem Anger, aber ist gleichzeitig auch ein Worstpiel, wenn man es englisch liest.
Ja, das kann jeder deuten, wie er will. Das passt beides für mich. Anger Baby, also wütendes Baby. Und der Anger in Erfurt, das ist halt der Ort an dem DISSY entstanden ist, da habe ich lange gewohnt, mit kreativen Leuten zusammen in einer großen WG. Da ist das alles entstanden und darauf wurzelt das ganze Projekt.
Nach Erfurt kam Berlin. Drag & Drop ist ja der Song zur Ankunft in der Großstadt, da höre ich auch die Ambivalenz des Berlin-Hypes raus. Du bist jetzt seit sechs Jahren hier – wie war dein Ankommen?
Ich hatte damals auf jeden Fall noch sehr, diese Erfurter Anti-Haltung. Die Leute mit denen ich abgehangen hab, waren immer sehr Anti-Berlin, Anti-Szene und sehr Untergrund. Das hatte ich noch sehr stark in mir. Gleichzeitig hatte ich hier schnell Möglichkeiten Geld zu verdienen mit meinem kreativen Kram. Aber auch das Gefühl, dass ich hier stärker etwas darstellen muss. Weil das viele Leute hier machen, also sich viel stärker präsentieren. Es war dann für mich auch schwer Freunde zu finden, die wirklich bei mir hängen bleiben. Da ging es echt noch viel darum Geld zu verdienen. Das war eine nicht so gesunde Zeit.
Jetzt bist du aber angekommen und hast einen Weg gefunden die Stadt im guten Sinne zu nutzen für deine Projekte?
Ja, voll. Total. Es sind Leute bei mir hängen geblieben, die mir guttun. Ich habe einen stabilen Freundeskreis und das ist eigentlich sogar das allerwichtigste, egal, wo man ist. Ich fühle mich wohl und könnte auch nicht woanders sein gerade. Ich rutsche auch von einem Job in den nächsten: mal leite ich hier einen Workshop, dann führe ich da Regie, dann mache ich wieder Musik für irgendein Format. Und jetzt mache ich halt die ganze Zeit meine eigene Musik, was mir viel Freude macht. Es passiert hier alles eher spontan durch Begegnungen. Man lernt jemand Neues kennen und damit ergibt sich wieder was anderes. Das liebe ich total.
Ein Aspekt aus dem Track Arbeit, taucht auch später auf dem Track Kreis nochmal auf: das Privileg Künstler zu sein und gleichzeitig die Problematik der Überarbeitung. Abgrenzung kann in diesem Job ja sehr schwierig sein. Struggelst du damit?
Total. Grenzen ziehen kann ich ganz schwer. Und auch schlecht Nein-sagen. Deswegen bin ich auch oft überfordert, weil es einfach zu viel ist und ich auf so vieles Bock habe. Ich unterschätze oft, dass allein das Musikmachen auch ganz viel Brain-Stress für mich ist. Gerade, wenn das rauskommt und Leute das Bewerten. Da mache ich mir so viel Gedanken und kann mich oft schwer vor Selbstzweifeln schützen. Und ich habe gemerkt, dass ich das auch gesundheitlich und körperlich spüre, und da auf jeden Fall auf mich achten muss.
Hat die Pandemie denn überhaupt Entschleunigung gebracht?
Ja, doch schon. Es kamen etwas weniger Jobs, viele Sachen waren hinfällig. Und auch, dass es keine Live-Auftritte gab. Also das war total schade, aber dadurch hatte ich generell mehr Zeit mich mal ein bisschen zu sammeln.
Im April steht ja eine Tour an…
Ja, ich hoffe sehr, dass das stattfindet, ich freu mich da extrem drauf!
„Anger Baby“ erscheint am 25.03.2022. Folgt DISSY hier, um nichts mehr von ihm zu verpassen. „Anger Baby“ vorbestellen könnt ihr hier, Tourdates & Ticketlinks von DISSY findet ihr hier.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
(Fotocredit: Fritz Elsmann)
[…] mit DISSY vorab bereits über sein neues Album, das ausführliche Interview mit ihm findet ihr hier. Viel Spaß mit dem […]