Interview: Mine zum neuen Album „Hinüber“

Yey, wir sind super happy – denn wir durften die fantastische Mine zum Interview via Zoom treffen. Zusammen haben wir u.a. über ihr neues Album „Hinüber“, Eiscreme und über Hip Hop gesprochen. Wie bereits auch mit ihren vorherigen Alben, schafft es Mine sich auch mit ihrem neuen Werk vom Deutsch-Pop Mainstream abzuheben. Macht Platz für toughe, schlaue und emotionale Zeilen. Hier kommt Mine:

Was ich an deinem Album total faszinierend und spannend finde, ist der Spagat zwischen politisch, gesellschaftskritischen und schwermütigen Songs wie u.a. Unfall, Tier oder auch Hinüber und dem komplett sorgenfreien Gegenteil wie beispielsweise Eiscreme. Wie ist es dazu gekommen? Was war dein Ziel hierbei? 

Ich bin ein Fan von Abwechslung. Ich langweile mich furchtbar schnell. Ich wechsle meine Frisuren alle paar Monate und brauche diese Vielfalt einfach total. Auch wenn ich andere Alben höre, mag ich es einfach gerne, wenn es mich überrascht und ich etwas höre, womit ich gar nicht gerechnet habe oder es textlich oder auch musikalisch nochmal eine ganz neue Ebene gibt.

Und bei meinem Album war es auch tatsächlich so, dass ich nach acht Songs gedacht habe „Das ist jetzt echt anstrengend“. Ich meine, 2020 gab es halt auch nicht so viel zu lachend ich habe sehr viele schlimme, melancholische und wichtige Gedanken gehabt -das war auch echt anstrengend. Das Album zu schreiben hat zwar auch sehr gut getan, aber es war auch krass sich da immer wieder reinzubegeben. Ich dachte, ich brauche jetzt noch unbedingt irgendwas, was mich da rausholt: Etwas einfaches, leichtes, fluffiges und ich habe ganz lange gebraucht, was zu finden. Es hat so lange gedauert, dass ich irgendwann zu meinem Team gesagt habe, dass ich nicht mehr sicher bin, ob da noch wirklich was aus mir rauskommt, was nicht so deprimierend ist.

Aber ich gehe halt wirklich viel Eis essen. Wenn ich im Studio bin, geht’s jeden Tag zur Eisdiele. Wenn ich zuhause bin, hole ich mir immer, wenn ich an einer Eisdiele vorbeigehe, ein Eis. Ich bin einfach wirklich der größte Eis-Fan und ich dachte, dass ich darüber auf jeden Fall sprechen kann und das wird auch total easy. Das war auch so schön diesen Song zu schreiben, weil das so fluffig von der Hand ging.

Also, mir ist es schon wichtig, dass es abwechslungsreich ist und dass es sich auch mal aus einer Welt wieder raus bewegt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Ich kann das verstehen, gerade braucht man jeder sowas und wenn Eis dich wirklich so happy macht, dann ist das doch super!

Ja, man! Sehe ich auch so. (beide lachen)

Ich finde das super zumal, der Track dann auch wieder zum einen andere Seite aufzeigt, aber auch die etwas gedrückte Stimmung zwischendurch wieder auffängt. Außerdem zeigt es, dass man auch Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit durchaus mischen kann, ohne das es seltsam ist UND ohne, dass die politischen Songs an Aussagekraft verlieren. Was ich auch interessant finde, ist die Anordnung der Tracks: Die Songs Hinüber und Unfall hast du an den Anfang und an das Ende gestellt, die stellen quasi eine Klammer um das ganze Album. Hast du das gemacht, weil die beiden Tracks besonders hervorstechen sollen? 

Ja, tatsächlich! Mir war es schon wichtig, dass man nicht mit Eiscreme aufhört und dass es nicht der erste Track ist. Ich finde schon, dass das womit man anfängt und womit man aufhört meistens im Kopf bleibt und einen auch dazu bringt, über Dinge nachzudenken. Ich habe Unfall geschrieben und am gleichen Abend habe ich zu den Boys gesagt „Ich habe den letzten Song vom Album geschrieben“. Ich wusste, dass das der letzte Track ist. Ich fand auch diese Klammer total gut. Ich finde auch gut, dass man zwischendrin das Ganze mal verlässt. So habe ich halt auch meinen Alltag gesehen letztes Jahr. Ich habe mich super viel mit Eigenverantwortung, mit der politischen Weltsituation und so beschäftigt und ich finde es wichtig, dass man immer darüber nachdenkt und sich seiner Privilegien bewusst ist. Aber ich finde man darf zwischendrin auch mal Pause machen. So sehe ich quasi auch ein bisschen die Tracklist.

Mir ist aufgefallen, dass deine Songs teilweise auch textlich zugänglicher geworden. „Zugänglich“ finde ich irgendwie ein komisches Wort, das hat so einen negativen Vibe. Ich meine damit einfach, dass du direkt und zielgerichtet auf einen Punkt kommst, der so klar und deutlich ist, dass man das gar nicht anders verstehen kann. Wie kommt das?

Mein Schreiben ist auf jeden Fall direkter geworden als früher. Es ist jetzt schon mein fünftes Album und am Anfang habe ich sehr kryptisch geschrieben, weil es halt auch was mit Mut zu tun hat. Ich schreibe ja nun mal über sehr private Sachen und vieles ist persönlich privat, also das kann ich nicht einfach so sagen, weil das ist zu krass, das kann dann ja jeder hören. (beide lachen) Aber je länger ich das mache, desto mehr brauche ich auch diesen emotionalen Trigger und Grenzen, die ich überschreite, weil ich dieses krasse Gefühl sonst nicht mehr habe. Ich kann nicht einfach wie Bon Jovi jedes Jahr die gleiche Platte rausbringen, das würde mich nicht triggern. Ich brauche diese Gänsehaut-Moment und die bekomme ich halt momentan auch dadurch, dass ich mich textlich irgendwie immer mehr traue direkte Sachen zu sagen -ohne, dass es platt wird. Weil mit so Plattitüden kann ich nicht viel anfangen. Am Ende ist auch eine subjektive Frage, es gibt bestimmt Menschen, die sagen, dass meine Musik platter geworden ist. Für mich ist es aber noch nicht so, dass ich es selber so empfinde. Mir ist es wichtig, dass ich meine eigenen Ansprüche noch erfülle.

Was ich mich auch gefragt habe ist, wenn du diese ganzen schweren und unbequemen Themen ansprichst bzw. diese in deine Texte einfließen lässt, beispielsweise all das was politisch und gesellschaftlich in 2020 passiert ist. Zieht das einen dann nicht noch mehr runter? Oder verarbeitest du diese dadurch noch besser, wenn du es laut aussprichst?

Ich habe viel über die weltpolitischen Themen gesprochen, die einen irgendwie ohnmächtig zurücklassen, das ist halt doch eher Verarbeitung. Also ich gehe wirklich manchmal ins Bett und liege dann da und bin wütend und traurig über die Menschheit an sich. Das macht mich schon fertig, wie die Menschen miteinander umgehen. Mit vollem Wissen und ohne Gewissen. Das ist dann schon eher so, dass ich es damit verarbeite, aber trotzdem ist es auch so, dass irgendwann der Punkt da ist, an dem man nicht mehr kam. Wenn ich dann angefangen habe zu schreiben, entlädt sich das so, aber später sitze ich da, schreibe den Song zu Ende, brauche einen zweiten Vers und muss mich da jedes Mal wieder reinbegeben in dieses Gefühl, wo die Idee halt herkommt und das ist schon sehr anstrengend. Ich war dann auch echt froh als ich dann mal über Eis schreiben konnte. (beide lachen)

Wenn man dir auf Twitter & Instagram folgt, weiß man auch, dass du immer sehr darauf bedacht bist Missstände anzusprechen und dich für Wichtiges einzusetzen. Bist du der Meinung, dass man als Person des öffentlichen Lebens generell eine politische Stellung vertreten und diese auch laut aussprechen sollte – gerade weil man ja nun mal viele Leute erreichen kann?

Das ist eine super schwierige Frage und ich finde, die muss man für sich selbst beantworten. Ich kann nicht sagen, dass ich Musiker:innen verachte, wenn sie sich nicht zu politischen äußern oder, dass ich das nicht gut finde. Es ist halt auch eine Sache der ganz persönlichen Entscheidung. Nur weil man den Beruf des/der Musiker:in hat, muss man nicht zwangsläufig Aktivist:in sein. Erstmal muss man überhaupt wissen, was man weiß. Vielleicht weiß man ja gar nicht genug und dann labert man irgendeinen Scheiß, das macht’s noch schlimmer. Halbwissen verteilen in der Welt – ganz, ganz schwieriges Thema. Zum anderen ist es natürlich auch so, dass du bei jeder politischen Äußerung Gegenwind bekommst. Da ist natürlich immer die Frage: Was hält die Psyche aus? Was kriege ich hin und was nicht? Ich habe auch selber Grenzen für mich und merke, heute kriege ich es hin oder halt nicht. Andererseits ist es auch für mich persönlich so, dass ich nicht damit leben könnte nichts zu sagen. Ich finde schon, dass mit Reichweite Verantwortung kommt. Gerade jetzt, wo so viel passiert und es wichtig ist Dinge sichtbar zu machen und es ja auch nachweislich etwas bringt, wenn Leute ihr prominentes Gesicht irgendwo reinhalten und Menschen mitziehen können.

Ich habe jetzt keine große Reichweite und bin kein Promi oder so, aber es gibt ein paar Leute, die mir zuhören und das möchte ich dann nutze, um auf Dinge aufmerksam zu machen. Auch wenn ich nur einen Menschen dazu bringen kann, ab und zu mal einen 10er an Seawatch zu spenden, freue ich mich darüber. Das bedeutet nicht, dass ich dadurch wahnsinnig viel Gutes in die Welt gebracht habe, ich bin in erster Linie ja Musikerin und das mache ich für mich selbst, aber wenn ich daraus noch was machen kann, sehe ich das schon in meiner Verantwortung.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Unser Blog hatte bis letztes Jahr noch den Schwerpunkt Hip Hop / Rap. Daher möchte ich zum Schluss gerne nochmal das Thema anschneiden. Du hast bereits mit mehreren Deutschrappern, wie kürzlich erst Mädness zusammengearbeitet. Woher kommt deine Verbindung zum Rap? Was fasziniert dich daran? 

Ich bin mit Rap aufgewachsen. Ich habe schon immer eine Faszination für Rap gehabt. Vielleicht auch, weil ich selber nicht rappen kann und weil ich es schön finde, dass Menschen mit Texten umgehen können. In der deutschsprachigen Pop-Landschaft gibt’s nicht so viel gute Texte. Also inzwischen hat sich das auch geändert. Es gibt super viele Künstler:innen, die super geile Texte schreiben, aber das war zur damaligen Zeit nicht so. Da gab es so Pop-Projekte, Schlager und Rap. Deutschsprachig habe ich nur Rap gehört und sonst nur internationale Musik. Natürlich hat mich das auch sehr darin beeinflusst, wie ich Musik mache. Ich baue halt auch Beats ganz klassisch.

Und wie fühlt sich das dann an, wenn du dann jetzt ganz klassisch in die Pop-Ecke gesteckt wirst? Gerade weil du so unterschiedliche, musikalische Facetten bedienst?

Ganz ehrlich, mir ist das egal. Also ich habe damit gar kein Problem, wenn man mich einschubladisiert, weil das ist einfach irgendein Begriff. Wenn mich jemand fragt, was ich für Musik mache, dann sage ich auch deutschsprachigen Indie-Pop, weil ich keinen Plan habe. Jeder hört da was anderes. Ich habe wirklich schon alles gehört, von Art-Pop über Electro-Folk und ich sehe das auch alles irgendwie. Ich höre auch selber Indie, Folk, Klassik, Instrumental Musik, ich habe auch Jazz gehört und das beeinflusst mich und es sind bestimmt auch Facetten, die man in meinen Songs wiederfindet. Am Ende steht die Musik ja für sich und Genres sind quasi nur da, um Leute dazu zu bringen, sich mal was anzuhören, weil zu etwas anderem passen könnte. Seitdem es Streaming gibt, ist die Musikwelt allein schon so breit aufgestellt an Genres. Allein schon Rap. Was ist Rap? Es gibt Straßen Rap, Gangster Rap, Conscious Rap, politischen Rap, … irgendwie ist das auch egal. So lange niemand sagt, ich mache Rechtsrock, ist mir das egal. (beide lachen)

Euch hat das Interview gefallen? Dann hört gerne mal in das Album rein oder kauft direkt die Platte und folgt Mine auf Instagram, Facebook  und Youtube, um keinen Release mehr zu verpassen!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Fotocredit: Simon Hegenberg