3 Floors, über 40 Artists und 3000 Rapfans. Die Tapfabrik war dieses Jahr zum vierten Mal in Folge restlos ausverkauft. Lest hier, was den einzigartigen Hype rund um die größte Jam des Landes ausmacht.
Schon am Hauptbahnhof Wiesbaden sieht man sie: Rapfans, soweit das Auge reicht, voller Optimismus, dass der Rest des Tages den Heißhunger auf Liverap stillt. Wem sich dieser Anblick offenbart, der weiß genau: Es ist wieder Tapefabrik.
Und so beginnt am 9.3.2019 schon gegen 15 Uhr, ca. 3 Stunden bevor der erste Act die Bühne betritt, das Gelände rund um den Schlachthof Wiesbaden, sich langsam zu füllen. Weite Hoodies, tiefe Hosen und unzählige, teils rötlich gefärbte Augenpaare, denen die Vorfreude deutlich anzusehen ist, kommen hier zusammen – wegen Rap. Denn auf den 3 Bühnen, von denen zwei vorrangig MCs und Crews gewidmet sind, wohingegen die dritte einzig und allein Producern und DJs vorbehalten ist, wird die nächsten 12 Stunden Hip Hop in seiner reinsten Essenz zelebriert.
Auf der Mainstage in der großen Schlachthof-Halle erreicht die Stimmung spätestens mit der Show des holländischen MC Blabbermouf zusammen mit Tapefabrik-Veteran Figub Brazlevic, einen Peak, der den Rest des Abends anhält. „The more Energy you give us, the more Energy we give you back“ formuliert der MC treffend ins Mic. Und die Rechnung geht auf. Vor und auf der Bühne geht es gleichermaßen konsequent zur Sache. Man fühlt sich kurzerhand in D.I.T.C.-Zeiten zurückversetzt und lässt die Rapsturmflut, die sich auf der Bühne zusammenbraut auf sich niederprasseln. Highlights im Lineup festzumachen ist bei einem so puristisch und auf den Punkt getroffenem Programm schwierig und geht vermutlich auch an der Kern-Motivation hinter der Tapefabrik vorbei. Man spürt es an jeder Ecke des Festivals bis tief hinein in die kleinen Details: Hier geht es um das große Ganze. Es geht um fucking Hip Hop. Jenseits von Hype-Gelaber, Status, Cash und Clicks. Das Highlight ist eben das Commitment auf dieses Mindset und deshalb findet es sich in jeder einzelnen Show, dem Bühnenbild und eben allem was dazugehört wieder.
So wundert es auch nicht, dass mitten im Witten Untouchable Set klammheimlich das Intro von Creutzfeld&Jakobs „Anfangsstadium“ ertönt. Und plötzlich steht er da neben Lackmann: Flipstar. Und plötzlich ist es für einen kurzen raren Moment eben eine Creutzfeld&Jakob Show. Und plötzlich ist man nochmal mehr geflasht, als man zu sein geplant hatte. Wow. Einfach nur Bääm. Einfach nur Gänsehaut.
Man hat das Gefühl, dass es den Machern hinter der Tapefabrik eben genau darum geht, jene raren Momente zu generieren und zwar für diejenigen, die das schätzen können und wollen. Und diejenigen befinden sich eben nicht nur um Publikum, sondern auch auf der Bühne und im Backstage.
So kommt es auf der kleineren MZEE-Stage zwischen den einzelnen Shows zu spontanen ungeplanten Cyphers – mitten im Publikum. Da stehen dann auf einmal Galv und LUX, reichen sich das Mic hin und her und rappen Parts, umgeben von Rapfanatikern, die direktes Feedback auf jede ihrer Lines geben. Als wäre es ein DLTLLY-Battle. Ehm Moment. Das DLTLLY-Battle gab es ja auch noch. Ebenfalls direkt vor der MZEE-Bühne. Mehr Hip Hop an einem Abend geht dann wirklich nicht.
Achso. Geht doch. Denn was wäre Rap ohne die Beatmaker und DJs? Richtig – nichts. Um das zu würdigen haben ebenjene auf der HHV-Bühne eine eigene zusätzliche Domäne, wo den ganzen Abend Beatset auf Beatset der dopesten Producer, wie Morlockko Plus, Flofilz oder Kuso Gvki (um nur wenige zu nennen) folgt. Unterfüttert mit Turntablism-Einlagen des Host-DJs S-Trix.
Wenn es auf einem Rapfestival neben dem Sound – und den gibt es wie weiter oben geschildert wurde zu genüge – noch Süßigkeiten-Stände gegen die Munchies gibt und Merchandise-Streetwear, die in einer Koop mit dem Hamburger Modelabel Cleptomanicx entstanden ist, dann kann man sagen: die Crew hinter der Veranstaltung versteht nicht nur den Sound ihrer Szene, sondern auch diejenigen, die diesen Sound feiern. Und das macht sich bemerkbar: Bis ins Morgengrauen, waren die Floors auch währen der Aftershow-Party brechend voll.
Unterm Strich kann und muss man betonen, dass das Tapefabrik-Festival seinem Ruf als größte Jams des Landes absolut gerecht wird. Acts, die man üblicherweise einzeln auf kleinen Bühnen in irgendwelchen JUZ (und ja, das ist natürlich auch geil) zu sehen bekommt, oder im Vorprogramm bekannterer Künstler mit mehr Zugkraft, stehen hier im Zentrum und verleihen der Tapefabrik ihren Ruf als Deutschrap größtes Klassentreffen.
Autor: Martin Bürgermeister // Fotos: Vanessagraphie